Das Tragen einer Armbanduhr entspricht ihrem gewöhnlichen Verwendungszweck. Daraus ergibt sich grundsätzlich auch dann kein Sorgfaltsverstoß, wenn es sich um eine wertvolle Uhr handelt und sie – innerhalb Deutschlands – auf der Straße getragen wird.
Ein versicherter Raub liegt bei einem geplanten Trickdiebstahl vor, wenn der Versicherte die Wegnahme bereits im Moment der Tat bemerkt, den Gegenstand noch zu fassen bekommt, ihm aber aus diesem Griff entrissen wird.
Nach § 5 Nr. 3 a VHB 2011 liegt ein Raub vor, wenn gegen Sie Gewalt angewendet wird, um Ihren Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen … auszuschalten; Gewalt liegt nicht vor, wenn versicherte Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstandes entwendet werden (einfacher Diebstahl/Trickdiebstahl). Nach § 5 Nr. 3a Hs. 2 VHB 2011 setzt ein versicherter Raub demnach voraus, dass der Täter gegen den Versicherungsnehmer Gewalt anwendet, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten, nicht hingegen, wenn die Entwendung ohne Überwindung eines bewussten Widerstands erfolgt. Der beschriebene Hergang erfüllt die Voraussetzungen eines versicherten Raubes.
Dabei kommt es auf die im Einzelnen umstrittene rechtliche Abgrenzung zwischen versichertem Raub und nicht versichertem Trickdiebstahl nicht an. Zum Teil wird bereits das vom Opfer bemerkte plötzliche Wegreißen am Körper getragener Sachen als Raub im versicherungsrechtlichen Sinn eingeordnet1. Aber auch die restriktivere Gegenauffassung bejaht einen Raub zumindest dann, wenn das Opfer die Absicht des Täters rechtzeitig erkennt und die Sache über das zur Überwindung der Schwerkraft übliche Maß hinaus derart festhält, dass der Täter einen erheblichen Kraftaufwand entfalten muss2.
Ein über das normale Maß hinausgehendes Festhalten liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer – wie im hier entschiedenen Fall – die Wegnahme bereits im Moment der Tat bemerkte und das Armband der Uhr noch zu fassen bekam, als der Täter die Uhr über seine Hand streifte, und der Taäte ihm die Uhr aus diesem Griff entrissen hat.
Dabei hat das Oberlandesgericht Stuttgart berücksichtigt, dass in der Hausratversicherung zugunsten des Versicherungsnehmers Beweiserleichterungen eingreifen. Die Entwendung als solche ist hier ohnehin unstreitig, muss also vom Versicherungsnehmer nicht bewiesen werden. Beweiserleichterungen gelten aber auch für die Frage der Begehungsweise. Grundsätzlich genügt es, wenn der Versicherungsnehmer lediglich nachweist, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine versicherte Entwendungsart besteht3. Stehen ihm dafür – wie hier – keine Beweismittel zur Verfügung, kann das Gericht die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für eine versicherte Entwendung entsprechend § 286 ZPO auch allein auf die schlüssigen Behauptungen des Versicherungsnehmers – insbesondere im Rahmen einer Anhörung gemäß § 141 ZPO – stützen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht der unredliche, sondern der redliche Versicherungsnehmer der Regelfall ist4. Der Versicherer kann diese Glaubwürdigkeitsvermutung zugunsten des Versicherungsnehmers jedoch ausräumen, etwa indem er Widersprüche zu den ursprünglichen Schadensmeldungen gegenüber der Polizei oder dem Versicherer aufdeckt.
Die Versicherung hat Entschädigung in Höhe des Neuwerts der Uhr zu leisten, §§ 27 Nr. 1a, 12 Nr. 1a VHB 2011.
Eine Leistungskürzung wegen grober Fahrlässigkeit nach § 81 Abs. 2 VVG kommt nicht in Betracht. Eine Armbanduhr zu tragen, entspricht ihrem normalen Verwendungszweck. Daraus ergibt sich grundsätzlich auch dann kein Sorgfaltsverstoß, wenn es sich um eine wertvolle Uhr handelt und sie – innerhalb Deutschlands – auf der Straße getragen wird5. Nichts anderes gilt, wenn der Versicherungsnehmer von einem Unbekannten angesprochen wird und – für den anderen sichtbar – die Zeit abliest; denn auch das entspricht dem Verwendungszweck der Uhr.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 19. Juli 2016 – 12 U 85/16
- so – mit beachtlichen Argumenten – Bruck/Möller/Jula, VVG, 9. Aufl., § 3 Einbruchsdiebstahl Rn. 54; Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 29. Aufl., VHB A. § 3 Rn. 13; zu abweichenden Versicherungsbedingungen vgl. auch BGH NJW 1977, 1059; OLG Köln VersR 2007, 1270; Versicherungsombudsmann r+s 2004, 198[↩]
- OLG Düsseldorf VersR 2015, 748; OLG Karlsruhe – 19. Zivilsenat – VersR 2009, 1360; vgl. auch Günther r+s 2007, 265, 269 mwN.[↩]
- vgl. BGH NJW 1991, 3248; Prölss/Martin/Armbrüster aaO. AERB A. § 1 Rn. 53, 67 mwN.; Günther r+s 2007, 265[↩]
- vgl. BGH VersR 1996, 575; OLG Stuttgart MDR 2009, 680; Prölss/Martin/Armbrüster aaO. AERB A. § 1 Rn. 60, 67[↩]
- vgl. OLG Köln VersR 2007, 1270; OLG Hamm r+s 1991, 29[↩]